Bunte Bälle statt bunte Pillen

28. März 2014 | Von | Kategorie: Impulse

Verhaltensauffällige Kinder werden heutzutage gern auf Förderschulen abgeschoben oder mit Medikamenten an die gesellschaftlichen Anforderungen angepasst. Eine Alternative bietet Bal-A-Vis-X, ein Gehirn- und Koordinationstraining mit bunten Bällen. Ein Bericht über einen Workshop beim Institut für Kinesiologische Lernförderung (IKL) in Damme.

Säckchen und Bälle schulen Konzentration und Koordination.
© Jola Horschig

60 Menschen sind in der Turnhalle. Kleine, große, alte, junge, Zappel-Philippe und Hanns Guck-in-die-Lufte. Die Menschen stehen im Kreis und blicken zu dem Mann mit dem schlohweißen Haar.

Es ist mucksmäuschenstill. So still, dass man hören würde, wenn eine Stecknadel zu Boden fiele.

„I’ll make two. Then you come in“, sagt Bill und lässt die Bälle springen.
Tok, tok … klatsch.  Tok, tok … klatsch.

Die Menschen schauen auf die Bälle, hören auf den Rhythmus und machen mit. Tok, tok … klatsch.  Tok, tok  … klatsch.  Tok, tok … klatsch.

120 Bälle springen synchron. 120 Hände klatschen synchron. Auch die der Zappel-Philippe und Hanns Guck-in-die-Lufte.

Das, was die Menschen bei dem Workshop in der Dammer Turnhalle lernen, heißt Balance Auditory Vision eXercises, kurz Bal-A-Vis-X. Entwickelt wurde es von Bill Hubert, einem mittlerweile pensionierten Lehrer, der in Wichita/Kansas lebt und sich jahrelang darüber wunderte, dass so viele seiner Schülerinnen und Schüler Probleme in der Schule und mit sich selbst hatten. Bill suchte nach Möglichkeiten, ihnen einen Ausweg aus ihrem Dilemma zu zeigen und fand erste Anregungen im Kampfsport: Körperhaltung, Disziplin, Training. „No martial arts, no Bal-A-Vis-X“, berichtet er. 25 Jahre hat er entwickelt, ausprobiert und verfeinert – mit seinen Schülerinnen und Schülern. Das Ergebnis ist eine Technik, die jeder Mensch lernen kann – egal, ob groß oder klein, ob alt oder jung, ob Zappel-Philipp oder Hanns Guck-in-die-Luft.

Bal-A-Vis-X spielt man mit Sandsäckchen und bunten Bällen. „But it is no game!“ Und trotzdem macht es Spaß – insbesondere den Zappel-Philippen und Hanns Guck-in-die-Luften. Sie trainieren den Kontakt mit sich selbst und ihren Fähigkeiten, erleben Erfolge und gewinnen Selbstvertrauen, denn Bal-A-Vis-X schult unter anderem

  • die Augen-Hand-Koordination,
  • die Muskulatur der Augen,
  • das Zusammenspiel beider Gehirnhälften,
  • Gehör und Gefühl für Rhythmus,
  • Selbstbewusstsein,
  • Konzentrationsfähigkeit sowie
  • Teamgeist und soziales Verhalten.

Beeindruckende Ergebnisse erzielte Dr. Dixon Chibanda, Neuropsychiater der Universität von Simbabwe, bei einem 14-Jährigen mit ADHS und bei einem 22-Jährigen mit Schizophrenie . Der Junge wurde nach nur acht Wochen Bal-A-Vis-X-Training merklich ruhiger, der junge Mann schaffte endlich den Mathe-Test des High-School-Examens (Nachzulesen auf der Homepage des IKL unter: Wenn der Rythmus fließt, …). Ich selbst habe bei verhaltensauffälligen Kindern binnen weniger Wochen bemerkenswerte Veränderungen beobachten können.

Bal-A-Vis-X kann helfen bei Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS), ADS/ADHS, Konzentrations- und Motivationsproblemen, Stressabbau, Autismus, Lern- und Entwicklungsverzögerungen, Sprach- und Konzentrationsschwierigkeiten sowie Gehirnverletzungen. Bill Hubert arbeitet erfolgreich mit Menschen ab vier Jahren, mit Behinderten, mit Schlaganfallpatienten und mit Senioren.

In Deutschland gibt es derzeit nur wenige Möglichkeiten, die Technik mit den Sandsäckchen und den bunten Bällen zu erlernen und zu trainieren. Das IKL in Damme veranstaltet Übungstage und Workshops mit Bill Hubert.
Ich führe auf Anfrage Einzelsitzungen mit Kindern und Jugendlichen durch (Tel. 0 50 41 / 80 27 74).

Weitere Informationen:

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