Seit 1948 baut und verwaltet die Wohnungsgenossenschaft Ebersberg eG (GWG) Wohnungen im Landkreis Ebersberg. Im März 2013 hat die GWG ihr erstes Holzhaus fertiggestellt. Über Hintergründe und Ziele, die die Genossenschaft dabei verfolgt, sprach BundesBauBlatt-Mitarbeiterin Jola Horschig mit Vorstandschef Ulrich Krapf und den beiden Vorstandsmitgliedern Fritz Eichhorn und Peter Dingler.
Ihr Ziel ist, ihren Mitgliedern ein gutes und modernes und gleichzeitig bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. Was verstehen Sie darunter?
Ulrich Krapf: Wir haben für die GWG Kriterien für gute Wohnqualität festgelegt. Sie beinhalten unter anderem barrierearme Zugänge und Bäder, helle, nach Süden oder Westen ausgerichtete Wohnräume, freundliche Außenanlagen sowie gut nutzbare Balkone mit einer Tiefe von mindestens 2 m. Seit etwa drei Jahren kristallisieren sich als weitere Qualitätsmerkmale „umweltverträgliche Baustoffe“ und „menschengerechtes Wohnklima“ heraus.
Gab es dafür einen konkreten Auslöser?
Peter Dingler: Das war ein fortschreitender Denkprozess. In der Vergangenheit haben wir bei Sanierungen und Modernisierungen, so wie es heute üblich ist, den Energiestandard unserer Häuser mit Wärmedämmverbundsystemen verbessert und dabei natürlich auch Styropor eingesetzt. Weil dieses Material jedoch nicht nur positive, sondern auch negative Eigenschaften hat, haben wir angefangen, uns intensiver mit dem Lebenszyklus von Gebäuden und der Wiederverwertung der eingesetzten Baustoffe zu befassen.
Fritz Eichhorn: In diesem Zusammenhang haben wir uns mit dem Bauzentrum München, einer staatlichen, unabhängigen Einrichtung, in Verbindung gesetzt und haben uns von den dortigen Fachleuten die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Bauweisen erläutern lassen. Dabei wurde uns bewusst, dass das Styropor an unseren Häusern zwar kostengünstig ist, aber bei einem Abriss des Gebäudes zum Sondermüll gehören wird. Es gibt sogar Aussagen, dass das Styropor in 20 – 30 Jahren unser nächstes Asbestproblem sein wird.
Ulrich Krapf: Unserer Meinung nach ist es wichtig, dass sich Bauherren auch über den Lebenszyklus und den Abriss Gedanken machen. Es geht nicht nur darum, wie ich heute ein Gebäude mit minimalem Aufwand und geringen Kosten erstellen kann. Es geht auch darum, was es für die Zukunft bedeutet. In 20, 30 oder 40 Jahren. Das ist für uns auch Qualität. Da muss man umdenken.
Sind hochwertige Ausführung und Ausstattung für Sie auch ein Qualitätskriterium?
Ulrich Krapf: Wir definieren Qualität auch über umweltverträgliche Baustoffe und menschengerechtes Wohnen. Wir haben da zwei Säulen. Die erste ist der Umweltgedanke. Dazu zählen zum Beispiel der Energieeinsatz und die gesamte Ökobilanz. Die zweite sind unsere Mieter. Wir fragen uns zum Beispiel, in welchen Materialien sie wohnen wollen. Ob das Wohnen in den heute üblichen Baustoffen der menschlichen Natur entspricht? Oder ob Materialien, die aus der Natur kommen, unseren Bedürfnissen und unserer Gesundheit mehr entgegenkommen?
Wie setzen Sie Ihre Überlegungen und Erkenntnisse um?
Peter Dingler: Das war und ist ein Denkprozess, der jetzt auch in der Errichtung unseres Massivholzhauses in Grafing zum Ausdruck kommt.
Ulrich Krapf: Nach den Gesprächen mit dem Bauzentrum München haben wir festgestellt, dass für uns sowohl die Ziegel- als auch die Holzbauweise in Frage kommen. Die Unterschiede liegen darin, dass man mit jedem Material anders bauen muss. Davon hängt dann auch die Auswahl des Architekten ab.
Fritz Eichhorn: In dieser Phase der Diskussion haben wir in München eine Ausstellung über das Bauen mit Holz besucht. Sie hat uns zu der Erkenntnis gebracht, dass trotz der Notwendigkeit, kostengünstig zu bauen, die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit über Jahrzehnte auch im sozialen Wohnungsbau eine Rolle spielen sollte.
Peter Dingler: Ja, es hat uns sehr fasziniert, dass man bei dem heute üblichen ritualisierten Baugeschehen und den üblicherweise eingesetzten Materialien diese Überlegungen einbeziehen kann, ohne dass der soziale Wohnungsbau mit seinen Kostengrenzen gefährdet ist.
Ulrich Krapf: Wenn man von Baukosten spricht, geht es um die Baukosten bei der Erstellung. Das ist die Messlatte. Die Folgekosten sind dabei nicht berücksichtigt. Diese Betrachtungsweise ist für ein Unternehmen, das seine Wohnungen im Bestand hält und halten will, zu kurz gegriffen. Auch wenn es schwierig oder gar unmöglich ist, die Gesamtkosten zu fassen. Es ist eine Hochrechnung mit vielen Unbekannten. Niemand weiß, was der Abriss eines Gebäudes in 70 Jahren kosten wird. Trotzdem muss man darüber nachdenken. Ziel ist, das Risiko, dass ich heute noch nicht genau definieren kann, zu minimieren. Dabei können uns natürlich auch Fehler unterlaufen. Doch man muss es mit dem Wissen, was wir heute haben, abschätzen. Wäre damals bekannt gewesen, wie schädlich Asbest ist, wäre es bestimmt nie eingebaut worden.
Wie entstand die Idee, ein Massivholzhaus zu errichten?
Peter Dingler: Im Norden von Ebersberg liegt der Ebersberger Forst, eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands. Daraus entstand die Idee, aus der Nähe zum Wald etwas zu machen. Der Aufsichtsrat hat die Idee getragen und die Mitglieder auch.
Fritz Eichhorn: Wir müssen natürlich sorgsam mit dem Geld unserer Mitglieder umgehen. Wir haben ihnen erklärt, dass wir jetzt etwas mehr Geld in die Hand nehmen wollen, weil wir dafür auch mehr bekommen. Eine höhere Wohnqualität und die Kinder unserer Mitglieder sparen an den Folgekosten. Das haben wir mit ihnen diskutiert.
Wie kam es dann zur Umsetzung?
Ulrich Krapf: Wir haben uns Beispiele in der Praxis angeschaut und waren in Bad Aibling, wo es ein achtstöckiges Holzhaus gibt,
und in Salzburg. In Österreich wird ohnehin mehr mit Holz gebaut als bei uns. Die wichtigste Aussage war: Dazu brauchen Sie einen Architekten und einen Techniker mit Erfahrungen im Holzbau. Den Architekten haben wir über Holzbauunternehmen gefunden und den Techniker, das war ein glücklicher Zufall, haben wir im Haus.
Das Holzhaus in Grafing wurde im März 2013 bezogen. Gibt es schon erste Resonanzen?
Ulrich Krapf: Ja. Die Mieter haben den Bau des Hauses von Anfang mit verfolgt und sind sehr zufrieden. Besonders beeindruckend ist die Aussage einer 84-jährigen Frau. Sie wohnte zuvor direkt neben unserem Holzhaus und musste aus ihrer Wohnung ausziehen, weil das Haus abgerissen wird. Sie wollte nicht umziehen, stattdessen lieber sterben. Jetzt hat sie drum gebeten, dass sie noch mindestens 5 Jahre lebt, weil ihre neue Wohnung so schön ist.
Erschienen in BundesBauBlatt 6/2013 und online auf www.bundesbaublatt.de